Zweisimmen bewegt – Zeitreise auf den Mannenberg

Zeitreise „1228“

Ein herrlicher Maientag war angebrochen, das Dorf lag noch verschlafen in der Morgendämmerung. Doch bei der Kirche herrschte reges Treiben: Pilger, Händler und Handwerker der Bauhütte waren unterwegs. Es schien, als seien die Nobilis vom Mannenberg auf dem Weg zur Kirche. Man hörte das leise Bewegen und Stimmengewirr, und eine Gruppe begab sich hinunter zur Mühlegasse. Das Wasserrad klapperte, und die Müllergesellen, die gerade von ihren Strohsäcken aufgestanden waren, rieben sich die Augen, als sie den Umzug sahen. Sie folgten ihm bis zur Gerichtslinde – doch dort wurde kein Gericht gehalten. Stattdessen wurde das Salzregal und die Herberge inspiziert, und der Burgvogt erkundigte sich nach Händlern, die vom Vanel her eintrafen.

Vor der Schenke standen ein Zimmermann und ein Steinmetz, die nach Bern wollten, da dort Arbeit wartete. Die Stadtmauer und der große Torturm wurden dort gerade errichtet. Plötzlich kam es zu einem kurzen Hin und Her: Einer schien sich sonderlich auffällig zu verhalten und man traute ihm nicht. Der Freiherr zögerte nicht lange und befahl, die „personae miserabiles“ festzunehmen. Doch der Mann zog schnell den Geleitbrief des Basler Bischofs, Heinrich II. von Thun, aus der Tasche – und erhielt so freies Geleit. Es handelte sich um einen Scholar, der nach Parma unterwegs war.

Genug der Aufregung: Die kleine herrschaftliche Reisegruppe hatte das Dorf bereits verlassen, als ihnen gerade ein Magister der Künste begegnete, der eben von einer weiten Reise zurückkam. Man begrüßte ihn hocherfreut. Nun ging es zur Feste Mannenberg. Bereits am frühen Morgen wehte die gelb-schwarze Fahne auf dem Kastell – gut sichtbar von der Kirche aus. Man wurde erwartet.

Wohl oder übel mussten sie die Furt zum Gansbach queren und im lästigen Sumpf die Trippen überziehen. Der Freiherr von Raron schimpfte über seinen knauserigen Bruder auf der Burg: Er solle die Furt begradigen, den Steg ordentlich unterhalten und längst den Sumpf trockenlegen, denn vom faulen Wasser gingen übler Gestank und Krankheiten aus.

Die Edlen und die Frouwe aber gingen mit anmutendem Geschick über den labilen Steg, was den Freiherrn und seinen Begleiter erheitete. So trafen sie gut gelaunt auf der Burg ein und wurden dort vom Burghauptmann herzlich empfangen. Es gab Spies und Trank, und man wurde vortrefflich verköstigt.

Text: Jean-Pierre Beuret